Manchmal bekommt man auf WhatsApp Nachrichten, die einen wirklich nachdenklich stimmen. So ging es jedenfalls mir als ich gestern einen Videoclip gesendet bekam. Dieser 1-minütige Film wurde 2013 von der Canadian Heart and Stroke Foundation veröffentlicht. Sie starteten damit eine Campagne unter dem Titel „Make Health Last“ (Sorgen Sie dafür, dass Sie gesund bleiben). Es geht darum, ob Älterwerden grundsätzlich in Krankheit enden muss, oder ob es auch anders laufen kann.
Seien wir mal ehrlich, ich glaube, die meisten von uns können ganz gut damit leben, dass das Älterwerden zu körperlichen Veränderungen wie Falten und weniger straffer Haut führt. Und für die, die sich damit nicht abfinden können, gibt es ja (zum Glück?) Mittel, die diesem „Verfall“ entgegenwirken sollen. Ich könnte mich jetzt auf ein Podest stellen und darüber schwadronieren, für wie unsinnig ich diesen ganzen Kram halte, aber darum geht es hier gar nicht.
Hier geht es darum, dass wir es sehr wohl in der Hand haben, wie unsere Lebensqualität im Alter aussehen wird. Ich kriege immer wieder zu hören, „Deine Art, dich zu ernähren, wäre mir einfach viel zu anstrengend. Ich gehe lieber zum Bäcker und kaufe mir ein Brötchen, als dass ich mir schon am Abend vorher Gedanken machen muss, was ich am nächsten Tag essen will. Letztendlich, sterben müssen wir alle mal“.
Ja, das ist richtig. Keiner von uns kommt darum herum, irgendwann sterben zu müssen. Worauf ich aber gerne verzichten kann, das ist eine langwierige Krankheit, die mich daran hindert meine letzten Jahre zu genießen.
Die Einschränkungen, die solche Krankheiten mit sich bringen, habe ich bei meinen Schwiegereltern live erleben dürfen. Meine Schwiegermutter war durch ihre Erkrankungen (Diabetes, Adipositas, Herzinsuffizienz, wiederholte Lungenödeme) in den letzten Jahren ihres Lebens nicht mehr in der Lage, ihre Wohnung zu verlassen. Sie hat diese Zeit vor dem Fernseher verbracht.
Mein Schwiegervater ist langsam in einer Alzheimer Demenz versunken, die ein normales Leben absolut unmöglich macht – wie jeder weiß, der mit Demenzkranken zu tun hat. In den wenigen klaren Momenten, die er zum Schluss noch hatte, war er total verzweifelt, weil er sich mit seinen nächsten Angehörigen nicht mehr verständigen und seine Ehefrau, mit der er über 60 Jahre verheiratet war, nicht mehr erkennen konnte. Inzwischen wissen wir, welche Faktoren zu dieser Erkrankung geführt haben, und dass man sie hätte behandeln können.
Das glänzende Gegenbeispiel ist meine Urgroßmutter, die mit 87 Jahren noch Polka getanzt hat. Sie gehörte allerdings einer Generation an, die von den „Errungenschaften“ unserer schönen neuen Welt (zum Beispiel dem ganzen Müll, der heute als Nahrung verkauft wird) verschont geblieben ist.
Und genau darum geht es in dem Videoclip. Eine Verschlechterung der Lebensqualität im Alter ist nicht unabwendbar. Gebrechlichkeit ist kein normaler Alterungsprozess (1), das zeigen uns die über Hundertjährigen in den Blue Zones (2). Mit einem gesunden Lebensstil können die letzten Lebensjahre durchaus Jahre sein, die sie uneingeschränkt genießen können. Und zu diesem richtigen Lebensstil gehören eben die vier Pfeiler, über die ich immer wieder schreibe: gesunde Ernährung (glauben Sie bloß nicht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung), regelmäßige Bewegung und Sport, erholsamer Schlaf und Stressabbau.
Ja, unsere Lebenserwartung ist länger geworden (3). Aber was nützt Ihnen ein längeres Leben, wenn Sie durch chronische Krankheiten keine Lebensqualität mehr haben? Nicht umsonst haben wir eine Debatte darüber, ob Ärzte beim assistierten Selbstmord helfen dürfen. Die Leute wollen ja nicht sterben, weil sie ihr Leben so genießen, sondern weil sie das langsame Dahinsiechen einfach nicht mehr ertragen.
Die Kritiker stellen sich jetzt hin und sagen: „Was sollen wir schon groß ändern. Die Welt ist, wie sie eben ist.“ Inklusive Klimawandel, zunehmender Luftverschmutzung und allem. Ja, auch unsere Politiker haben – wie sie gerade wieder bewiesen haben – kein Interesse den Status Quo zu ändern. Da gibt es ein paar kleine Ansätze, die darauf abzielen, der Industrie nur ja nicht auf die Füße zu treten. Es ist also an jedem von uns, seine Lebensumstände so weit zu bessern, wie das eben möglich ist. Und Sie können eine ganze Menge tun.
Was mich frustriert ist, dass viele Menschen zugeben, dass sie wissen, dass ihr Lebensstil ungesund ist, dass sie aber keine Lust haben, Veränderungen vorzunehmen. Okay, man kann natürlich sagen, dann ist der Leidensdruck vielleicht noch nicht groß genug. Das Problem ist nur, dass wenn der Leidensdruck dann groß genug ist, der Schaden vielleicht nicht mehr zu beheben ist. Dabei wäre es so einfach, den Schaden gar nicht erst entstehen zu lassen.
Fangen Sie mit kleinen Schritten an. Sie müssen ja nicht von heute auf morgen Ihr ganzes Leben umkrempeln. Vielleicht setzen Sie sich für den Anfang das Ziel, jeden Tag eine halbe Stunde spazieren zu gehen. Vielleicht wissen Sie auch, dass Sie viel zu wenig schlafen, und nehmen sich vor, jeden Tag 30 Minuten früher ins Bett zu gehen.
Es ist Ihre Wahl, wie Sie Ihre letzten Jahre verbringen wollen.
(1) Systems biology and network pharmacology of frailty reveal novel epigenetic targets and mechanisms. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31332237
(2) https://singularityhub.com/2009/07/20/blue-zones-places-in-the-world-where-people-live-to-100-and-stay-healthy/
(3) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/273406/umfrage/entwicklung-der-lebenserwartung-bei-geburt–in-deutschland-nach-geschlecht/