Stress ist im 21. Jahrhundert etwas, wovon wir alle betroffen sind. Er ist ein Produkt unseres modernen Lebensstils, der uns sehr häufig in unserer Zeit einschränkt und dazu führt, dass die Menschen zu wenig schlafen, keine Zeit haben, gesunde Mahlzeiten zu kochen, Zeit für ihre Familie und auch sich selbst zu haben und dass viele Menschen einfach keine Energie mehr haben.
Wir messen Erfolg als Produktivität – und Produktivität hängt mit Schnelligkeit zusammen. Leider führt dieser wahnsinnig schnelle Lebensstil dazu, dass unsere Gesundheit mehr und mehr abbaut und es zur Entwicklung chronischer Krankheiten kommt.
Was ist Stress
Laut Duden hat Stress zwei Bedeutungen:
- erhöhte Beanspruchung, Belastung physischer oder psychischer Art
- (umgangssprachlich) Ärger.
Interessant ist, dass vor dem 15. Jahrhundert die Bezeichnung Stress eigentlich nur als akademischer Begriff angewandt wurde, um den Druck, der auf Gegenstände wirkt, zu bezeichnen. Erst im Verlauf der Zeit, wurde der Begriff auch für Widrigkeiten und Erschwernisse, die Menschen betrafen, eingesetzt. Und ab dem 19. Jahrhundert erfuhr er dann die Bedeutungsänderung zu dem Verständnis, das wir heute von Stress – und vor allem chronischen Stress – haben.
Stress und chronische Schmerzzustände
Stress hat aber nicht nur Auswirkungen auf unser Wohlbefinden, sondern kann auch chronische Schmerz- und Erschöpfungssyndrome – inklusive Fibromyalgie – sowohl auslösen als auch verschlimmern. Und das trifft sowohl für körperlichen als auch für seelischen Stress zu. Stress, der über längere Zeit anhält, verwirrt das Zentralnervensystem (ZNS) und führt zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit. Auf einmal werden Reize, die eigentlich nicht schmerzhaft sind, vom ZNS als Schmerz wahrgenommen, was bei den Betroffenen zu Schmerzen im gesamten Körper führt.
Immer mehr Menschen führen ein Leben, in dem Statussymbole wichtiger sind als das eigene Wohlbefinden. Sie haben einen Beruf, der ihnen nicht gefällt, einen Chef oder Kollegen, mit denen sie sich nicht verstehen. Vor allem Frauen jonglieren häufig mit Arbeit, Haushalt und Kindern. Wir sind weit entfernt vom Lebensstil der Jäger und Sammler, die zwar auch Stress in ihrem Leben hatten, der aber in der Regel nur von kurzer Dauer war und sich mit Perioden der Entspannung abwechselte. Wann haben Sie das letzte Mal ganz entspannt irgendwo herumgesessen und die Wolken betrachtet oder Kindern oder Hunden beim Spielen zugesehen. Und das Ganze, ohne an den nächsten Termin zu denken. Sehen Sie.
Ich habe schon darüber geschrieben, welche Techniken Sie anwenden können, um Ihren Stress besser zu managen. Eine weitere Möglichkeit, die ich Ihnen vorstellen möchte, sind Adaptogene.
Was versteht man unter Adaptogenen?
Das Konzept der Adaptogene wurde 1947 zuerst von sowjetischen Ärzten eingeführt, die feststellten, dass bestimmte Pflanzen eine stressmindernde Wirkung haben. 1969 definierten die Wissenschaftler Israel Brekhmann und Igor Dardymov was Adaptogene auszeichnet. Sie verwiesen dabei auf folgende drei Punkte (1):
- Ein Adaptogen verursacht eine unspezifische Antwort – eine Zunahme der Widerstandskraft gegen verschieden Stressfaktoren inklusive physikalischen, chemischen und biologischen Faktoren.
- Ein Adaptogen hat eine normalisierende Auswirkung auf die Physiologie unabhängig davon, in welche Richtung diese durch den Stressor vom Normalen verschoben wird (das heißt bei Erregung beruhigend, bei Antriebsschwäche energiesteigernd)
- Ein Adaptogen greift nicht in höherem Maße in die normale Funktion des Organismus ein als für die Zunahme der unspezifischen Widerstandskraft notwendig ist.
Da sehr viele Krankheiten durch Stress (mit)verursacht werden, können Adaptogene also durch ihre stressmodifizierende Wirkung den Heilungsprozess unterstützen.
So, nun schauen wir uns doch mal ein paar dieser Adaptogene an.
Ashwagandha
Ashwagandha (Withania somnifera) wird als Kräuteradaptogen geschätzt und hat seine Wurzeln in der ayurvedischen Medizin. Es wurde benutzt, um zu stärken, zu beleben und Vitalität zu vermitteln. Genau diese Eigenschaften führen dazu, dass dieses Heilkraut wiederentdeckt wurde. In Studien wurde untersucht, durch welchen Mechanismus Ashwagandha als Adaptogen wirkt.
Eine Studie untersuchte die Wirksamkeit von Ashwagandha in der Behandlung von Angststörungen (Angst ist eines der Hauptmerkmale der Stressreaktion) und kam zu dem Schluss, dass die Behandlung mit Ashwagandha im Gegensatz zu einem Placebo in den Angst-Scoringsystemen zu einer deutlichen Verbesserung führte (2).
Eine weitere Studie zeigte auf, dass Ashwagandha nicht nur in der Lage ist, den empfundenen Stress zu reduzieren, sondern auch zu einer deutlichen Verbesserung der Schlafqualität, von Depressionen, sozialen Interaktionen und der Lebensqualität führte (3).
Ashwagandha entfaltet seine positive Wirkung, indem es die Nebennieren unterstützt. Diese etwa 3 cm großen Drüsen sitzen am oberen Ende der Niere und steuern verschiedene Hormone und physiologische Reaktionen. Sie sind das Herzstück der Stressreaktion und geben beim ersten Anzeichen von Stress sofort Cortison in die Blutbahn ab. Cortison ist absolut lebensrettend, wenn wir vor einer Gefahr davonlaufen (auf der Flucht vor dem Säbelzahntiger), bleibt es aber über längere Zeit im Blut (wie bei chronischem Stress), dann schädigt es das Immunsystem und andere Organe.
Ashwagandhas Wirkung als Adaptogen ist darauf zurückzuführen, dass es in der Lage ist, die zirkulierenden Mengen von Stresshormonen wie Cortisol zu reduzieren (4).
Rhodiola rosea (Rosenwurz)
Rhodiola rosea ist ebenfalls ein bekanntes adaptogenes Heilkraut. In Russland, Europa und Asien wird es schon lange wegen seiner positiven Auswirkungen auf die geistige, körperliche und emotionale Widerstandskraft geschätzt.
Am häufigsten wird Rhodiola angewendet, um seelische und körperliche Erschöpfungszustände zu behandeln. Diese Effekte sind in vielen Studien untersucht worden. Eine in Phytomedicine erschienene Übersichtsarbeit kommt zu dem Schluss, dass Rhodiola positive Auswirkungen auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit und bestimmte psychische Gesundheitsprobleme hat (5). Eine weitere Studie wies Verbesserungen in sämtlichen Stresssymptomen, Behinderungen, Funktionseinschränkungen und einen allgemeinen therapeutischen Effekt schon nach 3-tägiger Einnahme von Rhodiola Extrakt nach (6). Eine weitere Verbesserung wurde in den vier Wochen, die die Studie durchgeführt wurde, verzeichnet.
Wie auch die anderen Adaptogene wirkt Rhodiola rosea auf das ZNS und verstärkt die Wirkung von Neurotransmittern (Nervenbotenstoffen) wie Noradrenalin, Dopamin und Serotonin (7). Es sorgt auch dafür, dass die Blut-Hirn-Schranke für Vorläufer dieser Neurotransmitter leichter durchlässig wird, so dass auf natürliche Weise ausreichende Mengen gebildet werden können (Psychopharmaka ick hör dir trapsen).
Neurotransmitter beeinflussen unsere Fähigkeit zu denken, zu analysieren, auszuwerten, zu berechnen und zu planen sowie unsere Aufmerksamkeit, unser Gedächtnis und unsere Lernfähigkeit. Da Rhodiola die Hirnfunktion sanft stimuliert, kann es eine wichtige Rolle im Management von chronischem seelischen und körperlichen Stress spielen.
Auch das Limbische System wird durch Rhodiola unterstützt. Dieses reguliert das Affekt- und Triebverhalten gegenüber der Umwelt. Alle eingehenden sensorischen Informationen werden im Limbischen System koordiniert und finden hier ihre emotionale Antwort. Besonders eng ist zum Beispiel der Geruchssinn mit dem Limbischen System verknüpft (so können Gerüche eine ganze Flut von Erinnerungen hervorrufen). Auch überlebenswichtige vegetative Funktionen wie Atmung, Schlaf-Wach-Rhythmus sowie Motivation werden durch das Limbisches System gesteuert. Nicht zu vergessen wäre ohne das Limbische System ein Lernen sowie das Langzeitgedächtnis nicht möglich.
Das Limbische System kommuniziert ebenfalls mit den Nebennieren und sorgt für ausreichende Cortisolspiegel als Antwort auf Stress. Rhodiolas Wirkung auf beide Systeme kann Stärke und Widerstandskraft aufbauen und dadurch die Gesundheit aller Organe im Körper verbessern und zu einem allgemeinen Wohlbefinden beitragen.
Ginseng (Panax ginseng)
Ginseng darf in dieser Aufzählung natürlich nicht fehlen. Besonders der asiatischer Ginseng kann die Stressresistenz fördern und so die geistige Leistungsfähigkeit verbessern. Ginseng hat neben seiner stressabbauenden Wirkung eine lange Liste von nachgewiesenen gesundheitlichen Vorteilen. Da Ginseng als Adaptogen, positiv auf das dopaminerge und serotoninerge System des Körpers, also auf die Wohlfühlhormone wirkt, verbessert er das Wohlbefinden. Er wird daher auch häufig verwendet, um Stimmung, kognitive Leistungsfähigkeit und einen erholsamen Schlaf zu fördern (8).
Wir alle erfahren tagtäglich, dass unser Stresslevel nicht von alleine sinkt, wenn wir nicht aktiv etwas dafür tun. Adaptogene wie Ashwaganda und Rhodiola rosea haben einen festen Platz in der Behandlung von grundlegenden Gesundheitsproblemen wie chronischen Schmerz- und Erschöpfungssyndromen, die in einer Zeit, wo niemand mehr lernt, einfach mal abzuschalten und sich zu regenerieren, immer häufiger auftreten.
(1) New Substances of Plant Origin which Increase Nonspecific Resistance http://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev.pa.09.040169.002223
(2) An Alternative Treatment for Anxiety: A Systematic Review of Human Trial Results Reported for the Ayurvedic Herb Ashwagandha (Withania somnifera) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4270108/
(3) A Prospective, Randomized Double-Blind, Placebo-Controlled Study of Safety and Efficacy of a High-Concentration Full-Spectrum Extract of Ashwagandha Root in Reducing Stress and Anxiety in Adults https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3573577/
(4) Ashwagandha root in the treatment of non-classical adrenal hyperplasia. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22987912
(5) The effectiveness and efficacy of Rhodiola rosea L.: a systematic review of randomized clinical trials. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21036578
(6) Therapeutic effects and safety of Rhodiola rosea extract WS® 1375 in subjects with life-stress symptoms–results of an open-label study. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22228617
(7) Brown, RP, Gerbarg, PL & Ramazanov, Z. (2002). Rhodiola rosea: a phytomedical overview. American Botanical Council: HerbalGram. 56:40-52
(8) Effects of ginseng on stress-related depression, anxiety, and the hypothalamic–pituitary–adrenal axis https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5628357/