Stress

Warum wir Stress brauchen, aber zuviel Stress nicht gut für uns ist

Kennen Sie das? Sie rufen einen lieben Mitmenschen an, und das Erste, was Sie zu hören kriegen, ist: „Ich bin so im Stress“. Ich habe in meinem sozialen Umfeld Leute, die ich schon gar nicht mehr anzurufen wage, weil ich sie ja nicht in ihrem Stress störe möchte.

Welche Funktion aber hat Stress genau, und wann wird er gefährlich für uns?

Die Stressreaktion ist die Antwort unseres Körpers auf Belastungen. Diese können psychisch oder physisch sein. Zunächst einmal ist Stress eigentlich eine gute Sache. Er hilft uns, uns an neue Anforderungen anzupassen und zu überleben. Wenn Sie von einem Säbelzahntiger gejagt werden, sind Sie sehr froh darüber, dass Ihr Körper Ihnen blitzschnell Energie zum Laufen bereitstellt, die Blutzirkulation nur noch auf überlebenswichtige Organe beschränkt (Sie wollen sich nicht fortpflanzen, wenn Sie die nächsten Minuten womöglich nicht mehr überleben) und Ihr Gehirn nur noch einen Gedanken hat: „Rette sich, wer kann!!“

Unsere paleolithischen Vorfahren kannten den oben genannten Stress nur zu gut. Aber sie hatten in ihrem Leben nach so einem stressigen Ereignis auch wieder Zeit, sich zu entspannen (nämlich wenn sie dem Tiger entkommen waren). Und was haben sie dann gemacht? Tief durchgeatmet, sich gesagt „wow, das ging ja gerade nochmal gut“ und dann weitergemacht. Robert Sapolsky beschreibt diese Art der Stressbewältigung sehr gut in seinem Buch „Why Zebras Don’t Get Ulcers“.

Und damit sind wir auch schon bei der negativen Seite des Stresses. In unserer heutigen Zeit müssen wir nicht mehr vor Säbelzahntigern weglaufen. Anstelle dieser kuscheligen Tiere haben wir einen Chef oder Mitarbeiter, mit denen wir Ärger haben, hohe Anforderungen im Beruf, Hypotheken, eine Reizüberflutung von Lärm, Licht und digitalen Medien, durch Gentechnik erzeugte Lebensmittel und überhaupt industriell erzeugte Lebensmittel mit Zutaten, die unser Körper nicht kennt, und mit denen er nichts anzufangen weiß, und dann der Freizeitstress… Sie verstehen, was ich meine. Bei den meisten Menschen läuft die Stressreaktion inzwischen mehr oder weniger ununterbrochen ab, sie haben (fast) keine Ruhephasen mehr. Wenn der Körper sich aber vom Stress nicht erhohlen kann, dann bricht er irgendwann zusammen.

Sehen wir uns einmal die Stressreaktion an und welche Auswirkungen auf den Körper auftreten, wenn ein Individuum ständig unter Stress steht:

  • Stress aktiviert den Sympathikus (Herzfrequenz und Blutdruck steigen) ⇒ Herz-/Kreislauferkrankungen
  • Durch die Wirkung von Glucokortikoiden (v.a. Cortisol)  wird die Gluconeogenese in Gang gesetzt und der Blutzuckerspiegel steigt, um genug Energie bereitzustellen ⇒ Diabetes, Leber- und andere Organerkrankungen, Adrenal Fatigue (Nebennierenschwäche), Burnout
  • Die Darmtätigkeit wird reduziert, da Verdauung in einer Stresssitutation keine hohe Priorität hat ⇒ Magen-/Darmerkrankungen
  • Das Blut wird dickflüssiger, um bei Verletzungen den Blutverlust möglichst gering zu halten ⇒ erhöhte Thrombosegefahr
  • Der Muskeltonus steigt, um für Kampf oder Flucht vorbereitet zu sein ⇒ Verspannungen, Spannungskopfschmerz, Haltungs- und Gelenkschäden
  • Auch die Immunantwort wird bei Stress zurückgefahren. Sie brauchen nicht mit einem Infekt fertig zu werden, wenn vor Ihnen ein Tiger steht ⇒ häufige Infekte, Krebs
  • Die chronische Belastung durch Stress führt zu Schlafstörungen, Erschöpfung, Leistungsverlust und chronischen Entzündungen im Körper (⇒ erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko) .

Unserem Gehirn ist es übrigens egal, welcher Stressor für unseren Stress ursächlich ist. Es kann zwischen realer und eingebildeter Bedrohung nicht unterscheiden und sendet an den Körper nur die universelle Meldung: Stressreaktion! Auch wenn Sie einen todtraurigen Film ansehen und sich langsam durch die Kleenex-Packung heulen, wird Ihr Körper mit einer Stressreaktion antworten. Das heißt nicht, dass Sie keine traurigen Filme mehr gucken sollen, sondern dass Sie sich über diese Reaktion im Klaren sein sollten (tief durchatmen hilft).

Ein weiterer Stressor, den kaum jemand in Betracht zieht, sind Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Im Gegensatz zu Allergien wirken diese meist im Verborgenen und sind häufig nicht so schnell einem bestimmten Nahrungsmittel zuzuordnen (Unverträglichkeiten können bis zu 72 Stunden nach Nahrungsaufnahme auftreten und müssen sich nicht als Magen-/Darmbeschwerden äußern). Übrigens ist auch Schlafentzug ein Stressor. Da gestresste Menschen häufig nicht gut schlafen, kann sich so schnell ein Teufelskreis ergeben, den es zu durchbrechen gilt.

Eine Bestandsaufnahme des Stresslevels ist eine sehr komplexe Aufgabe, die viele Parameter mit einbeziehen muss. Es ist aber auch eine sehr lohnende Aufgabe, da die Minimierung von Stress zu deutlich mehr Lebensqualität und Gesundheit führt.

 

http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/STRESS/

http://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/stress/11388