Glyphosat, Feld

Wie europäische Behörden das Krebsrisiko durch Glyphosat herunterspielen

Dieser Artikel erschien bereits am 25. Juli 2017. An der Korruption der Zulassungsbehörden hat sich leider weiterhin nichts geändert. Aber das haben wir nach den letzten drei Jahren ja auch nicht wirklich erwartet. Die EFSA ist gerade mal wieder dabei, die Gefahren durch Glyphosat kleinzureden und damit den Grundstein für eine Verlängerung der Zulassung dieses Gifts zu legen. Na dann, guten Appetit.

 

Ich gebe zu, wenn Monsanto behauptet, dass ein Krebsrisiko durch Glyphosat nicht besteht, dann kann ich das ja noch verstehen. Diese Menschen machen immerhin durch ihre Skrupellosigkeit massive Gewinne. Man muss sich allerdings schon fragen, welche Vorteile Mitarbeiter von EU-Behörden davon haben, dieses Spielchen mitzumachen.

In den USA gibt es als Belohnung für diese Mitarbeit von Monsanto sehr lukrative Posten. Bisher bin ich – wie blauäugig auch immer – davon ausgegangen, dass das bei uns (noch) nicht der Fall ist – oder jedenfalls nicht so offensichtlich. Es bleibt die Frage, was treibt einen Menschen dazu, dabei mitzuwirken, dass Monsanto durch sein Ackergift die Umwelt, Menschen und Tiere weiterhin vergiften darf? Und wie kommt er auf die abstruse Idee, dass sein Tun für ihn selber keine Auswirkungen hat. Es bleibt dabei, Geld kann man nicht essen.

In Global 2000 (Friends of the Earth, Austria) wurde gerade eine Studie des Toxikologen Dr. Peter Clausing veröffentlicht (1), die aufzeigt, wie EU Behörden ihre eigenen Gesetze mit Füßen treten und Beweise für eine karzinogene (krebserregende) Wirkung von Glyphosat einfach missachten, um weiterhin behaupten zu können, dass diese Substanz keine Karzinogen ist.

Dr. Clausing hat als Abteilungsleiter der Toxikologie in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet und ist jetzt Vorstandsmitglied des Pesticide Action-Networks Deutschland. In der ZDF Sendung WISO wurde er Anfang Juli zum Thema Glyphosat interviewt.

 

Wie EU Behörden Risiken durch Glyphosat herunterspielen

Die EU Behörden kamen zu dem Ergebnis, dass Glyphosat nicht krebserregend ist, indem sie Tierexperimente, die die Karzinogenität von Glyphosat bestätigten, einfach nicht zur Kenntnis nahmen oder die Ergebnisse herunterspielten. Sie haben dabei laut Dr. Clausing ihre eigenen Richtlinien verletzt.

Der Report zeigt auf, dass nach EU Standards eigentlich kein Weg darum herum geführt hätte, Glyphosat als Karzinogen einzustufen. Das würde dann ganz automatisch bedeuten, dass Glyphosat in der EU verboten werden müsste. Und damit Zulassungverlängerung ade.

Zu den Ergebnissen seiner Untersuchung befragt, erklärte Dr. Clausing:

„Was mich am meisten überrascht hat, war wie offensichtlich und weitreichend die Behörden ihre eigenen Leitlinien verletzt haben. Das herauszufinden, hat mich sehr wütend gemacht. Die Behörden sollten für ihr Versagen verantwortlich gemacht werden. Die Beweise dafür, dass Glyphosat eine krebserregende Substanz ist, sind so überwältigend, dass es einfach verboten werden müsste.“

Welche Behörden sind involviert?

In der Schusslinie stehen das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA).

Die Einschätzung dieser drei Behörden, dass Glyphosat nicht karzinogen ist, steht in klarem Widerspruch zu derjenigen der Weltgesundheits-organisaton (WHO). Die ihr zugeordnete International Agency for Research on Cancer (IARC) klassifizierte Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“. Diese Einstufung basierte auf Ergebnissen von Tierstudien und Hinweisen aus Studien am Menschen. Die IARC ist dafür bekannt, dass sie absolut unabhängig arbeitet und ihre Forschungsarbeit von hoher Qualität ist.

Es zeigt sich, dass die drei oben genannten Behörden, das von sich wohl nicht behaupten können.

Welche Fehler unterliefen BfR, EFSA und ECHA?

Die Untersuchung zeigt, dass relevante Leitlinien der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und der ECHA selbst nicht angewendet wurden. Die OECD erlässt die Standards für chemische Tests. Es finden sich Hinweise darauf, dass die Behörden Fakten und Daten manipuliert haben, um das Krebsrisiko durch Glyphosat zu verschleiern.

Dr. Clausing ist beunruhigt, dass das Vorgehen der Behörden ein großes Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen könnte.

„Die Inzidenz von Krebserkrankungen hat sich in den letzten Jahrzehnten je nach Tumorart verzwei- bis verdreifacht. Ich mache mir Sorgen darüber, dass der explosionsartige Anstieg des Gebrauchs von Glyphosat dazu beigetragen hat und dies auch weiterhin tun wird, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Wir brauchen mehr Transparenz im Zulassungsverfahren. Aber mehr Transparenz ohne nachfolgende Konsequenzen, wenn sich Risiken abzeichnen, ist absolut nutzlos .“

Am 19. und 20. Juli soll auf einer Sitzung des Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed (ScoPAFF) die Neuzulassung von Glyphosat diskutiert werden (Punkt 21 der Agenda – doch so wichtig). Mit seinem Bericht hat Dr. Clausing jetzt die Vertreter der EU Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, sich zu diesem Thema noch einmal Gedanken zu machen.

 

„Wenn die Vertreter diesen Bericht vor der Diskussion lesen und die wissenschaftlichen Beweise zugrunde legen, dann bleibt ihnen gar nichts anderes übrig als die Neuzulassung von Glyphosat abzulehnen.“

Wie Tatsachen über Glyphosat verdreht werden

Wenn man sich in dem Bericht durchliest, wie Betonungen und Auslassungen verwendet wurden, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, dann kann es einen eigentlich nur noch grausen. Und es macht wirklich wahnsinnig wütend!

Laut EU Pestizidverordnung ist eine Substanz als karzinogen einzustufen, wenn zwei unabhängig voneinander durchgeführte Tierversuchsstudien eine höhere Tumorrate bei Tieren der Verumgruppe (also der Gruppe, die die Substanz erhalten) aufweisen. Im Fall von Glyphosat kamen sieben von zwölf Versuchsreihen zu diesem Ergebnis.

Am Anfang hat das BfR Daten für das Tumorwachstum einfach nicht erkannt, weil nicht die von OECD und ECHA festgelegten statistischen Tests angewendet wurden. Das BfR verließ sich stattdessen auf statistische Testergebnisse, die es von der Industrie erhielt (wahrscheinlich weil die viel unparteiischer sind als die anderen Organisationen). Diese statistischen Verfahren lieferten nur in einer Studie und nur für einen Tumortyp einen Hinweis darauf, dass Glyphosat einen signifikanten karzinogenen Effekt hat.

Aufgrund der IARC Monographie über Glyphosat, die 2015 veröffentlicht wurde, bewertete das BfR dann seine Einschätzung neu und kam zu dem Schluss, dass tatsächlich – wie oben erwähnt – sieben von zwölf Studien einen Zusammenhang aufzeigten.

Und trotzdem haben weder die BfR noch die EFSA und ECHA, die sich auf die grundlegende Arbeit der BfR stützten, weitere acht signifikante Tumoreffekte bemerkt (2), die vor kurzem von Professor Christopher Portier identifiziert wurden, dem ehemaligen Direktor des National Institute of Environmental Health Sciences (NIEHS) in den USA.

BfR, EFSA und ECHA benutzten nur eine Auswahl von Studien für ihre Einschätzung von Glyphosat. Sie übernahmen zwei Studien zu 100 %, die keinen Hinweis darauf fanden, dass Glyphosat ein malignes Lymphom verursachen kann. Diese Studien weisen so offensichtliche Mängel auf, dass sie eigentlich hätten ausgeschlossen werden müssen.

Aber da minus und plus ja auch irgendwie null ergibt, spielten sie im Gegenzug eine Studie herunter, die aufzeigte, dass Glyphosat ein malignes Lymphom verursacht, indem sie diese Erkrankung auf eine angebliche virale Infektion der Tiere schoben. Für diese virale Infektion gibt es laut ECHA nicht den geringsten Beweis. Der einzige, der jemals von dieser Infektion gesprochen hat, ist Jess Rowland, ein früherer EPA Mitarbeiter, der diese Behauptung in einer Telefonkonferenz mit EFSA Mitarbeitern aufstellte.

Eine Untersuchung bestätigte, dass die EFSA nur Rowlands Bemerkung als Beweis für die Infektion angeben konnte. Nun ist Jess Rowland aber ein ganz besonderer Fall. Monsantos interne Emails, die in einem amerikanischen Gerichtsverfahren offengelegt werden mussten, geben Hinweise darauf, dass Rowland ein fleißiger Helfer des Chemiekonzerns war, der damit angab, dass er „eine Medaille bekommen sollte“, wenn er es schafft, dass die EPA ihre Untersuchung in Bezug auf die gesundheiltichen Effekte von Glyphosat einstellt.

BfR, EFSA und ECHA spielten verschiedene statistische Tests gegeneinander aus und behaupteten, dass Glyphosat nicht karzinogen wirke, weil ein Signifikanzniveau nur in einem statistischen Test erreicht wurde und nicht in beiden. Dies ist eine klare Verletzung der OECD Richtlinien, denn diese besagen, dass ein Signifikanzniveau in einem Test ausreicht, die Vorstellung von einem zufällig auftretenden Krebsereignis von der Hand zu weisen.

Außerdem verstießen die Behörden gegen Einschränkungen für den Gebrauch historischer Kontrolldaten (also der Daten von unbehandelten Kontrolltieren in vorhergehenden Studien), die die OECD vorgibt, um den karzinogenen Effekt von Glyphosat zu minimieren.

Und letztlich haben sie es auch vermieden, Dosis-Wirkungs-Kurven zu veröffentlichen, die den Beweis dafür erbrachten, dass das Tumorwachstum durch Glyphosat verursacht wurde und nicht etwa ein Zufallsbefund war.

Brauchen wir eigentlich noch mehr Beweise dafür, dass die mit unserer Sicherheit beauftragten Behörden versucht haben, eine krebserregende Substanz als völlig harmlos hinzustellen?

 

(1) Glyphosate and cancer: Authorities systematically breach regulations. http://www.gmwatch.org/files/GLO_02_Glyphosat_EN.pdf
(2) Review of the Carcinogenicity of Glyphosate by EChA, EFSA and
BfR.  https://www.nrdc.org/sites/default/files/open-letter-from-dr-christopher-portier.pdf