Diabetes

Typ II Diabetes – eine reversible Erkrankung

Vom Diabetes mellitus sind mehr als 5 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Davon haben über 90 Prozent einen Typ 2 Diabetes. Allerdings geht man von einer Dunkelziffer von 40 bis 50 % unerkannter Diabetiker aus. Demnach dürfte die tatsächliche Zahl in Deutschland 7 bis 8 Millionen betragen, was bedeutet, dass etwa jeder 10. Bundesbürger betroffen ist.

Wenn Sie einen Typ II Diabetes haben, dann ist Ihnen bei der Diagnosestellung sicherlich von Ihrem Arzt gesagt worden, dass der Diabetes eine langsam fortschreitende Erkrankung ist, die zur Folge hat, dass Sie irgendwann Insulin spritzen müssen, um Ihren Blutzucker unter Kontrolle zu halten. Und das ist auch das, was in Studien immer wieder berichtet wird (1, 2).

Man weiß aber auch, dass eine Gewichtsreduktion den Diabetes beeinflussen und Blutzuckerwerte wieder in den normalen Bereich bringen kann (3).

Tatsächlich wurde der Diabetes bis in die 1920ger Jahre nur diätetisch behandelt (bis zur Entdeckung des Insulins), und das mit recht gutem Erfolg. Die Patienten wurden auf eine kohlenhydratarme Diät gesetzt und der Anteil an Fett und Protein in der Ernährung wurde erhöht (4).

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber mir erscheint dieser Ansatz sehr sinnvoll. Dem Typ II Diabetes liegt eine Insulinresistenz zugrunde, das heißt, dass die Zellen nicht mehr auf Insulin reagieren und Glucose aus dem Blutstrom aufnehmen, sondern dass dieser Zucker im Blut verbleibt und dort eine Menge Schaden anrichtet. Man kann es auch so sehen, dass diese Personen faktisch eine Glucoseintoleranz haben (denn sie können die Glucose ja nicht adäquat verstoffwechseln).

Übertragen wir dieses Beispiel einfach mal auf eine Erdnussallergie. Ich gebe zu, die Symptome eines Anaphylaktischen Schocks sind wesentlich beeindruckender als ein langsames Abrutschen in die Dialyse, aber egal. Sie würden doch einem Erdnussallergiker nicht sagen: „Hier ist ein Epipen für den Notfall. Iss ruhig die Erdnüsse, du kannst ja dann gegen den allergischen Schock einfach Adrenalin spritzen.

Klingt bescheuert, oder? Aber genau das machen wir mit Diabetikern. Ihnen wird nach wie vor eine Ernährung empfohlen, die 60 % Kohlenhydrate enthält, obwohl ganz klar ist, dass ihr Organismus diese Menge nicht verträgt. Aber das macht ja nichts, denn wir haben ja Insulin und Metformin und weitere Medikamente, die den Blutzuckerspiegel wieder in einen einigermaßen normalen Bereich bringen. Das ist einfach Wahnsinn!

Die diätetische Herangehensweise mit der kohlenhydratarmen Diät wurde nach Entdeckung des Insulins übrigens sehr schnell vergessen – genauso wie die Erkenntnis, dass Diabetiker eine Glucoseintoleranz haben. Vielleicht weil man mit Insulin sehr viel mehr Geld verdienen kann? Heute erzählen wir insulinpflichtigen Diabetikern, dass sie selbstverständlich Kuchen essen können, sie müssen dann nur entsprechende Einheiten Insulin spritzen. Bin das jetzt nur ich, oder würden Sie auch sagen, dass das vielleicht nicht die richtige Herangehensweiser ist?

Wie Sie Ihren Blutzucker in den Griff bekommen

Nahrungsmittel, auf die Sie verzichten sollten

Raffinierter Zucker:

Dieser erhöht sehr schnell den Blutzucker. Softdrinks, Fruchtsaft und andere zuckerhaltige Getränke sind die Hauptschuldigen. Diese Form des Zuckers wird schnell in den Blutstrom aufgenommen und kann zu einem extremen Blutzuckeranstieg führen. Übrigens fallen auch natürliche Süßungsmittel wie Honig und Ahornsirup in diese Kategorie (auch wenn sie etwas bessere Optionen darstellen, da sie im Gegensatz zu Zucker wenigstens noch einige Nährstoffe aufweisen). Wenn Sie auf Zucker nicht verzichten wollen/können, dann wechseln Sie wenigstens zu Stevia.

Getreide:

Getreide enthalten große Mengen Kohlenhydrate (ja, auch das „so gesunde“ Vollkorngetreide), die schon wenige Minuten nach dem Essen in Zuckermoleküle aufgespalten werden. Außerdem enthalten alle Getreide Gluten, welches zu einer Entzündung der Darmschleimhaut führen kann, Hormone wie Cortisol und Leptin beeinflusst und ebenfalls Blutzucker-spitzen verursachen kann.

Auf jeden Fall sollten Sie für die ersten 90 Tage auf Getreide verzichten. Danach können Sie kleine Mengen der alten Getreidesorten (zum Beispiel Emmer) wieder einführen. Aber vielleicht haben Sie bis dahin auch schon festgestellt, dass ein Leben ohne Getreide gar nicht mal so schlecht ist. Ihr Blutzuckerspiegel wird es Ihnen auf jeden Fall danken.

Konventionell erzeugte Kuhmilch:

Gehört vor allem für Typ I Diabetiker sicher nicht auf den Speiseplan. Aber auch Typ II Diabetiker profitieren davon, sie wegzulassen. Dieses gilt für die Kuhmilch, die das Milchprotein A1 Casein enthält (ca. 80 % der Kuhmilch), da dieses dem Glutenmolekül sehr ähnelt. A2 Casein Milch von Schafen, Ziegen und A2 Kühen kann dagegen sogar den Blutzucker ausgleichen. Ich muss natürlich nicht erwähnen, dass Sie nur Bio-Milchprodukte vorzugsweise von Weidetieren kaufen sollten.

Alkohol:

Kann den Blutzuckerspiegel stark erhöhen und ist – wie wir alle wissen – schädlich für die Leber. Besonders Bier und süße Liköre enthalten viele Kohlenhydrate und sollten nicht konsumiert werden.

Hydrierte Öle

Verzichten Sie unbedingt auf hydrierte Öle wie Margarine und Pflanzenöle (auch auf das so „herzgesunde“ Rapsöl).

Hören Sie auf, Kalorien zu zählen

Wenn Sie auf Fertignahrungsmittel verzichten (und das müssen Sie, wenn Sie Zucker und Pflanzenöle aus Ihrem Speiseplan streichen) und stattdessen auf die Qualität Ihrer Nahrungsmittel achten, dann können Sie sich die ganze Kalorienzählerei sparen.

 

Nahrungsmittel, die Sie essen sollten

Gesunde Fette:

Sie kommen gar nicht darum herum. Wenn Sie die Kohlenhydrate aus Ihrer Ernährung herausnehmen, dann müssen Sie die fehlenden Kalorien mit etwas anderem ersetzen. Da auch größere Mengen Protein letztendlich vom Körper in Zucker umgewandelt werden, bleibt also nur noch Fett. Und seien Sie froh darüber. Zum einen hat Fett überhaupt keinen Effekt auf den Insulinspiegel, zum anderen wird Ihr Essen richtig lecker, wenn Sie die richtigen Fette verwenden.

Die Fette, von denen ich hier spreche, sind natürlich keine Pflanzenöle, die mit ihrem hohen Anteil an Omega-6 Fettsäuren für eine chronische Entzündung im Körper sorgen und Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall auslösen können.

Ich spreche von qualitativ hochwertigen, gesunden, natürlichen Fetten wie Avocados, Kokosöl, Olivenöl, Mandeln, Butter usw. Und machen Sie sich keine Gedanken darüber, dass Sie bei all dem Fett zunehmen werden. Dies ist absolut nicht der Fall. Eine 2003 veröffentlichte Studie zeigte, dass Probanden, die Mandeln aßen, eine größere Gewichtsabnahme hatten als diejenigen, die sogenannte „gesunde“ komplexe Kohlenhydrate aßen (5).

Ballaststoffreiche Nahrungsmittel:

Diese verlangsamen die Aufnahme der Glucose ins Blut. Konsumieren Sie mindestens 30 g Ballaststoffe pro Tag aus Gemüse, Avocados, Beeren, Nüssen und Samen.

Diese Nahrungsmittel sind auch extrem wichtig für die Gesundheit Ihrer Darmbakterien. Studien zeigen eine Verknüpfung zwischen dem Gesundheitszustand Ihrer Darmbakterien (Ihres Mikrobioms) und der Entstehung eines Typ II Diabetes (6).

Essen Sie fünf Portionen verschiedenfarbener Gemüse pro Tag, um die Gesundheit Ihres Mikrobioms zu verbessern. Die unverdaulichen Fasern des Gemüses sind die bevorzugten Nahrungsmittel unserer Darmbakterien. Und wenn es unseren Darmbakterien gut geht, geht es uns auch gut. Je größer die Farbauswahl in Ihrem Gemüse (essen Sie einen Regenbogen), desto mehr Pflanzennährstoffe bekommen Sie.

Chromhaltige Nahrungsmittel

Diese können den Glucose Toleranz Faktor (GTF) in Ihrem Körper verbessern und so auf natürliche Weise den Blutzuckerspiegel ausgleichen. Brokkoli, Rohkäse, grüne Bohnen und Rindfleisch von Weidetieren enthalten alle viel Chrom.

Mittelkettige Triglyceride (MCTs):

Es handelt sich um Fettsäuren, die vor allem in Kokosöl und rotem Palmöl vorkommen. Sie unterstützen die Blutzuckerkontrolle und werden vom Körper als Brennstoff der Glucose vorgezogen

Fisch aus Wildfang:

Dieser Fisch enthält Omega-3 Fettsäuren. Sie wirken entzündungs-hemmend und können dadurch einige Effekte eines erhöhten Blutzuckerspiegels abmildern. Aber Achtung: Fische aus Aquakultur enthalten mehr Omega-6 Fettsäuren (+ Gifte wie Quecksilber und PCBs) und sind gesundheitlich genauso bedenklich wie Landtiere aus Massen-tierhaltung.

Protein und Fett

Essen Sie zu jeder Mahlzeit qualitativ hochwertiges Protein und Fett. Dadurch wird Ihr Blutzuckerspiegel stabilisiert, und Sie fühlen sich voll und gesättigt. Dies macht es Ihnen wesentlich einfacher, auf ein Dessert zu verzichten.

Snacks:

Idealerweise kommen Sie ohne Zwischenmahlzeit aus. Sollte Ihnen aber doch nach einem Snack sein, dann essen Sie etwas, das gesundes Fett enthält so wie Oliven, Nüsse oder Hummus. Wenn Sie einen Snack essen, der raffinierte Kohlenhydrate beinhaltet (wie Kekse oder Salzgebäck), dann begeben Sie sich auf eine Blutzucker Achterbahnfahrt, die darin resultiert, dass Sie schon nach kurzer Zeit wieder hungrig sind. Im Gegensatz dazu halten Fette Sie wesentlich länger satt.

Intermittierendes Fasten:

Wenn möglich integrieren Sie regelmäßiges Fasten in Ihren Essensplan. Das kann sowohl als Intermittierendes Fasten (zum Beispiel mit dem Wegfall von Frühstück oder Abendessen an 2 – 3 Tagen pro Woche) geschehen oder als zeitlich beschränktes Essen (zum Beispiel an nur 8 Stunden pro Tag, gefolgt von einem 16 stündigen Fasten). Dies ist eine großartige Möglichkeit, den Insulinspiegel zu senken und die Effekte von chronisch erhöhten Insulinkonzentrationen aufzuheben.

Und außerdem:

Generell sollten Sie nur am Esstisch essen. Wenn Sie auf dem Sofa sitzen und fernsehen, dann besteht die Gefahr, dass Sie deutlich mehr essen, weil Sie durch die Ablenkung gar nicht merken, wann Sie satt sind. Wenn Sie am Tisch sitzen und sich auf das konzentrieren, was Sie essen, ist es wahrscheinlicher, dass Sie Ihr Essen genießen, sich gesättigt fühlen und weniger essen.

 

Bewegung und Sport

Viele Untersuchungen zeigen, dass Bewegung für die BZ-Kontrolle eine wichtige Rolle spielt. Gehen Sie jeden Tag mindestens 20 – 30 Minuten in zügigem Tempo spazieren. Besonders vorteilhaft ist dieses Vorgehen direkt nach einer Mahlzeit.

Zusätzlich sollten Sie an 3 – 5 Tagen pro Woche für 20 – 40 Minuten ein Intervalltraining (HIIT) oder Krafttraining durchführen. Durch das HIIT verbrennt Ihr Körper dreimal mehr Körperfett als mit konventionellem Ausdauertraining (bei sehr viel geringerem Zeitaufwand).

Krafttraining mit freien Gewichten oder an Maschinen unterstützt Sie beim Aufbau und Erhalt von Muskelmasse, die für ausgeglichene BZ Werte und den Zuckerstoffwechsel notwendig ist.

Wenn Sie diese Vorschläge befolgen, werden Sie schon innerhalb von Tagen bis Wochen eine deutliche Besserung in Ihren Blutzuckerwerten feststellen. Aber Vorsicht: Wenn Sie Medikamente gegen erhöhte Blutzuckerwerte nehmen, besprechen Sie mit Ihrem Arzt ab wann und um wie viel Sie diese Medikamente reduzieren können.

 

(1) Follow-up of glycemic control and cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26039600

(2) Glycemic control with diet, sulfonylurea, metformin, or insulin in patients with type 2 diabetes mellitus: progressive requirement for multiple therapies (UKPDS 49). UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10359389

(3) Association of an intensive lifestyle intervention with remission of type 2 diabetes. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23288372

(4) THE USE OF A HIGH FAT DIET IN THE TREATMENT OF DIABETES MELLITUS. http://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/fullarticle/533583

(5) Almonds vs complex carbohydrates in a weight reduction program.  https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14574348

(6) Intestinal microbiota and type 2 diabetes: From mechanism insights to therapeutic perspective.  https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4273124/

3 Gedanken zu „Typ II Diabetes – eine reversible Erkrankung“

  1. Hallo Dr.Bendig
    Das Palmöl ist letzte Zeit in Verrufung gekommen.Palmöl kann keineswegs als gesund bezeichnet werden.
    Ein Kritikpunkt ist der hohe Anteil an gesättigten Fettsäuren.Diese können sich bei übermäßigen Verzehr negativ auf die Blutfettwerte auswirken .Auch eine Schädigung der Gefäßwände kann entstehen. Was sagen sie dazu Frau Dr. Bendig ?

    1. Das einzige Problem, das ich beim Palmöl sehe, ist eigentlich ökologischer Natur. Es handelt sich darum, dass ganze Urwälder für den Palmölanbau abgeholzt werden. Was die gesättigten Fettsäuren angeht, so sind diese inzwischen rehabilitiert. Sie führen nicht zu einer verschlechterung der Blutfette, sondern heben ganz im Gegenteil sogar die Werte für das „gute“ HDL an. Zu einer Schädigung von Gefäßwänden kommt es durch entzündliche Veränderungen. Verursacher hierfür ist eine Ernährung, die viel raffinierte Zucker und Kohlenhydrate beinhaltet.

  2. Gesundheit bekommt man nicht im Handel,sondern durch den Lebenswandel.(Sebastian Kneip)

    Hallo lieber Mitstreiter des Paläoprogramms.Ich freue mich sehr über unsere gleiche
    Lebensphilosophie.Ich kann dieser Ernährungsweise nur beherzt zustimmen, da ich sie seit mehr als 3 Jahren lebe!Der Grund dafür war die Diagnose :Multiple Sklerose!Nichts ging mehr.Ich wurde Arbeitsunfähig und schleichend zum Pflegefall.Die einzige Möglichkeit ,der letzte Stohhalm war für mich, hilf dir selbst.Wille und Bewustsein waren meine Antriebsfedern zur sofortigen Lebensumstellung die ich bis heute erfolgreich praktiziere.
    Danke Frau Doktor Bendig für die tollen bewusstseinserweiternen Beiträge.

    „Das beste Objekt,an dem du jemals arbeiten wirst,bist du!“
    Antje B.

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