Was hat unser Darm mit Autoimmun-erkrankungen zu tun?
Die Mikroben in unserem Darm haben sich zusammen mit uns entwickelt. Wir leben in einer symbiotischen Beziehung, die dafür sorgt, dass unser Immunsystem im Gleichgewicht ist – es kann eine effektive Immunantwort starten und die Besiedlung mit Bakterien verhindern. Krankheitserreger haben aber auch Wege entwickelt, sich in unserer Darmmflora fortzupflanzen. Eine Störung des Darmmikrobioms – sowohl durch Umwelt- als auch genetische Faktoren – kann das Risiko einer Infektion durch Krankheitserreger erhöhen und führt dann zu entzündlichen Erkrankungen.
Unser Mikrobiom kommuniziert mit unserem Immunsystem. In Studien wird belegt, dass Individuen, die früh in ihrem Leben mit Mikroben in Kontakt gekommen sind, weniger von Erkrankungen wie Allergien, Asthma und Autoimmunerkrankungen betroffen sind (4). Das schlägt natürlich dem Sauberkeitswahn mancher Menschen mitten ins Gesicht.
Aber auch nach der Kindheit kann unser Darmmikrobiom das Immunsystem beeinflussen.
So zeigte eine Studie, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) in ihrem Darmmikrobiom deutlich weniger verschiedene Stämme aufwiesen als die Kontrollgruppe ohne RA (5). Die Studie zeigte auch einen Zusammenhang zwischen der Vielfalt des Darmmikrobioms und der Erkrankungsdauer sowie der Höhe der Antikörper. Die Untersucher zogen daraus den Schluss, dass die bakterielle Fehlbesiedlung bei RA Patienten wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass ihr Darmmikrobiom eine große Anzahl einer bestimmten, seltenen Bakterienart enthält. Sie vermuten, dass der Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und Stoffwechselmarkern dabei helfen könnte vorauszusagen, wer für RA anfällig ist und wie die Erkrankung verlaufen wird.
Eine weitere Studie untersuchte den Nutzen des Bakteriums Prevotella histicola an Mäusen. Die Mäuse, die mit diesem Bakterium behandelt wurden, hatten weniger Erkrankungen an Arthritis und leichtere Verläufe der Erkrankung als eine Kontrollgruppe (6). Da Prevotella histicola zum normalen Mikrobiom gehört, könnte das bedeuten, dass wir Prophylaxe und Therapie der Arthritis womöglich schon in unserem Darm haben. Und das Tolle – im Gegensatz zu Medikamenten, die für die Behandlung der Arthritis eingesetzt werden, ist bei Prevotella mit geringen bis keinen Nebenwirkungen zu rechnen.
Es kommt noch besser. Im März 2018 veröffentlichten Forscher der Yale Universität eine Studie, die aufzeigt, dass Bakterien, die im Dünndarm von Säugetieren (und damit auch Menschen) vorkommen, Enterococcus gallinarum, Autoimmunerkrankungen hervorrufen können (7). Dieses Bakterium kann zahlreiche Infektionen hervorrufen indem es aus dem Darm in die Lymphknoten, die Leber und die Milz einwandert.
In der Leber initiierte E. gallinarum die Produktion von Auto-Antikörpern und verursachte eine Entzündungsreaktion. Durch einen Impfstoff konnten die Forscher das Wachstum des Bakteriums unterdrücken und somit seinen Effekt auf das Immunsystem abdämpfen. Eine Impfung gegen andere Bakterien zeigte keinen Erfolg in der Verhinderung der Erkrankung oder der Mortalitätsrate.
Gesunder Darm, gesundes Immunsystem
Die oben erwähnten Studien sind nur ein kleiner Teil der Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen einem gesunden Darm und einem gesunden Immunsystem beleuchten sollen. Tatsache ist – haben Sie eine Autoimmunerkrankung, dann können Sie ziemlich sicher davon ausgehen, dass Ihr Darm ganz ursächlich mit dazu beiträgt.
Es ist ganz klar – ein gesundes Darmmikrobiom kann dabei helfen, Ihr Immunsystem optimal funktionieren zu lassen. In Studien wird auch anerkannt, dass die Ernährung einen wichtigen Beitrag zur Darmgesundheit leistet – und damit zu Ihrer Immunität. Ich muss allerdings einschränkend dazu sagen, dass Ihr Endokrinologe oder Ihr Rheumatologe, bei denen Sie wegen einer Hashimoto Thyreo-iditis oder einer RA in Behandlung sind, diesen Zusammenhang womöglich nicht berücksichtigen (oder kennen?). Aber in den nächsten 15 – 17 Jahren sollten die Ergebnisse der klinischen Forschung dann auch in den Arztpraxen angekommen sein. Es besteht also noch Hoffnung.
Eine Ernährungsumstellung ist sowohl für Personen sinnvoll, die Risikofaktoren für Autoimmunerkrankungen haben als auch für bereits Betroffene. Sie ist eigentlich nicht nur sinnvoll, sondern unumgänglich.
Und ganz generell müssen wir uns wohl so langsam an den Gedanken gewöhnen, dass Bakterien nicht grundsätzlich unsere Feinde sind, sondern dass im Gegenteil unsere Gesundheit davon abhängt, dass wir mit den für uns lebenswichtigen Bakterien gut auskommen. Eins ist ganz klar: Mikroben können die besten Freunde unseres Immunsystems sein.
(1) Impacts of Gut Bacteria on Human Health and Diseases https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4425030/
(2) Gut microbiome alterations in Alzheimer’s disease https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5648830/
(3) Multiple sclerosis patients have a distinct gut microbiota compared to healthy controls https://www.nature.com/articles/srep28484
(4) Microbial Exposure During Early Life Has Persistent Effects on Natural Killer T Cell Function http://science.sciencemag.org/content/336/6080/489?ijkey=155a1e8a3c44352d4498684f5307606c62f0fe93&keytype2=tf_ipsecsha
(5) An expansion of rare lineage intestinal microbes characterizes rheumatoid arthritis https://genomemedicine.biomedcentral.com/articles/10.1186/s13073-016-0299-7
(6) Suppression of Inflammatory Arthritis by Human Gut‐Derived Prevotella histicola in Humanized Mice https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/art.39785
(7) The enemy within: Gut bacteria drive autoimmune disease https://www.sciencedaily.com/releases/2018/03/180308143102.htm