Die Diskussion um E-Zigaretten geht in die nächste Runde. Ich kann es schon nicht mehr hören, wenn von Verfechtern dieser Technologie behauptet wird, dass sie ein sehr gutes Mittel sind, Raucher bei einem Rauchstopp zu unterstützen. Ein Rauchstopp fängt im Kopf an, und er bedeutet auch, dass man mit liebgewordenen Ritualen brechen muss – zum Beispiel der Zigarette zum Kaffee oder zum Bier. Was E-Zigaretten tun ist, sie ersetzen eine Sucht mit einer anderen. Im Kopf der Raucher findet kein Umdenken statt – außer dass sie der Meinung sind, dass die E-Zigarette ein harmloser Ersatz für „richtige“ Zigaretten ist. Im Gegenteil werden einige Raucher sogar dazu verleitet, mehr zu rauchen, weil die E-Zigarette ja nicht schädlich ist.
Diese Meinung werden wir sicherlich in nächster Zeit revidieren. Es häufen sich inzwischen Meldungen, dass die E-Zigarette nicht so harmlos ist wie sie tut.
Entsprechend bedenklich ist natürlich auch die Darstellung der E-Zigarette in der Öffentlichkeit. Die Hersteller versprechen Rauchgenuss ohne die Nebenwirkungen des Tabaks. Also eigentlich mehr so wie ein Räucherstäbchen. Daran kann doch nichts schlimmes sein.
Verführen E-Zigaretten zum Rauchen?
Das haben sich wahrscheinlich auch viele Jugendliche gedacht, die vorher noch nie geraucht hatten, aber nun probeweise mal zur E-Zigarette griffen. Ist ja schließlich kein Tabak drin und die verschiedenen Geschmacksrichtungen sind doch eigentlich ganz lecker.
In Großbritannien wurde im Zeitraum von Juni 2015 – April 2016 eine Studie an 499 Schulkindern mit einem Durchschnittsalter von 14,1 Jahren durchgeführt. Dabei wurde bestätigt, was auch in anderen Ländern schon beobachtet wurde: Eine beträchtliche Anzahl Kinder, die E-Zigaretten rauchten, hatten vorher nie zu einer Zigarette gegriffen. Um genau zu sein, waren es mehr als die Hälfte – nämlich 52,6 Prozent der untersuchten Kinder (1).
Entgegen landläufiger Meinung enthalten viele E-Zigaretten sehr wohl Nikotin – und teilweise in nicht unbeträchtlicher Menge. Wie viel genau ist nicht bekannt, da die Zutaten des Liquids durch Eigentumsrechte geschützt sind und nicht preisgegeben werden müssen. Inzwischen weiß man aber, dass E-Zigaretten als Einstiegsdroge wirken können (sowohl durch das enthaltene Nikotin als auch über die mit dem Rauchen verbundenen Rituale) und dazu führen können, dass diese Kinder, die vorher nie geraucht hatten, später zu Rauchern werden. Dieser Tatsache sollten sich alle – auch und vor allem die Ärzte – bewusst sein, die sich vor Begeisterung über E-Zigaretten zur Raucherentwöhnung gar nicht wieder einkriegen.
Stiftung für eine rauchfreie Welt
In die gleiche Kerbe haut übrigens auch eine gemeinnützige Organisation, die von einem ehemaligen WHO Mitarbeiter ins Leben gerufen wurde. Die Foundation for a Smoke-Free World hat sich auf die Fahne geschrieben, „die globalen Bemühungen zur Reduzierung von Gesundheitsrisiken und Todesfällen durch Zigarettenrauchen voranzubringen mit dem Ziel, das Rauchen weltweit so schnell wie möglich auszumerzen.“ (2)
Hört sich gut an, oder? Ich persönlich – und das sage ich als Ex-Raucher – wäre absolut für eine rauchfreie Welt. Jetzt kommt aber das große ABER:
Der Stiftungsgründer, Derek Yach, erklärte im Lancet genau, wie er dieses Ziel erreichen möchte (3). Nach seiner Sicht der Dinge liegt der beste Ansatz in der Schadensbegrenzung, und hier haben E-Zigaretten und Tabakerhitzer wie Iqos einen festen Stellenwert.
Nicht nur, dass der Ansatz einer rauchfreien Welt voller E-Zigaretten und Tabakerhitzer jetzt ein bisschen merkwürdig anmutet, wirklich bedenklich werden diese Aussagen, wenn man sich ansieht, wer diese Stiftung finanziell unterstützt. Es handelt sich dabei um ein sehr bekanntes Unternehmen – Philip Morris – nicht nur Vertreiber von Zigaretten, sondern auch des Iqos Systems. Sowas nennt man dann wohl Produktvielfalt.
Ich hoffe nur, dass hier niemand glaubt, dass sich ein Unternehmen wie Philip Morris tatsächlich Gedanken über „gesunde“ Alternativen zum Zigarettenrauchen macht. Tatsächlich dürfte die Foundation for a Smoke-Free World nur ihre Form der Schadensbegrenzung sein. Ja, sie verlieren vielleicht ein paar Tabakraucher, aber eine bessere Werbung für die Iqos Zigarette kann man sich jetzt kaum vorstellen. Das Ziel ist es schließlich, Kunden zu halten und Gewinne für die Aktionäre zu erwirtschaften.
Lassen Sie sich also keinen Sand in die Augen streuen. E-Zigaretten sind keine „gesunde“ Alternative zum Tabakrauchen. Es ist berechtigt, dass sie in öffentlichen Gebäuden und Restaurants genauso verboten sind wie „richtige“ Zigaretten. Der Schaden, der durch E-Zigaretten verursacht wird, ist noch gar nicht abzuschätzen, weil sie nicht lange genug auf dem Markt sind. Es wäre aber dumm anzunehmen, dass die Inhalation eines Chemiecocktails in unserem Körper keine Probleme verursacht. Es ist an der Zeit, die rosarote Brille abzusetzen und vor allem Jugendliche über die Gefahren von E-Zigaretten aufzuklären – vor allem, was das Risiko einer Suchtentwicklung angeht.
(1) More than half of adolescent E-Cigarette users had never smoked a cigarette: findings from a study of school children in the UK. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=29870832
(2) https://www.smokefreeworld.org/our-vision
(3) Foundation for a smoke-free world https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(17)32602-8/fulltext