Spritzen

Spritzen gegen Falten nicht nur für die Alten – Wann fing das an mit dem Jugendwahn?

Um eins vorweg zu nehmen: der Wahnsinn, mit 50 aussehen zu müssen wie eine Zwanzigjährige, das gab es vor dreißig Jahren schon. In einigen Branchen (Medien). Heute legen sich Mädchen im Alter eines Teenagers unter das Messer, um die Nase Kleopatras zu bekommen oder wünschen sich „fett“ eine Schönheitsoperation. Brüste verkleinern ist selten, das zahlt aber vielleicht die Kasse. Brüste vergrößern bezahlt der Sugardaddy. Oder der Papa, weil Mama weiß, wie schädlich das ist: Sie trägt Größe Doppel D als Hochzeitsgeschenk. Soweit die Satire. Wenn Sie also in letzter Zeit vor dem TV oder Ihrer Promizeitschrift saßen und dachten, sie brauchen eine neue Brille, weil sie Verona und Dieter nicht mehr erkennen: keine Sorge, das liegt nicht an Ihrer Sehstärke.

Brille? Viel Mann! Bei mir war es ein „gut gemeintes Angebot“ des Hausarztes, der schon in den 90ern nach Wegen suchte, etwas Geld zu verdienen, außerhalb der Kassenleistungen. Während sich seine Kollegen mit IGel-Leistungen*(1) über die Runden retteten, hatte er sich zur Verfügung gestellt für eine Studie über die Wirksamkeit der Akupunktur(2), an der ich teilgenommen hatte.

Wissenschaft bringt allerdings immer viel Arbeit und wenig Moneten, also bot er neben Schröpfen dezente  Schönheitsspritzen an. Hätte er sich doch bitte lieber informiert, warum bei der Gabe von Antibiotika nach Zeckenstich nicht innerhalb sechs Wochen Borrelien gefunden werden können: ein Labor findet in der Zeit keine, weil sich diese Viecher quasi ducken, wenn Chemie im Anmarsch ist. Über Borreliose und Antibiose musste ich ihn aufklären. (*Der Name Dr. Klumm unten bei Nennung der Quellen ist Zufall, keine Satire!)

Genetische Vorbelastung und viel zu viel Zucker in den ersten vierzig Lebensjahren haben bei mir die Falten als eine Art  ständige Erinnerung an die Mutter forciert: der Hausarzt bot mir an, wenn eine der Damen der Upper Class aus meinem Dorf sich spritzen lässt und da ist ein wenig übrig, spritzt er mir die „Zornesfalten“ auf der Stirn weg. Liebermann, da wurde ich aber zornig!

In anderen Teilen der Welt, tröstete mich eine Kollegin, die viel im Universum herumgekommen ist, gelten diese Falten oberhalb der Augen als Zeichen für Erleuchtung! Entschuldigung, da bleibe ich doch lieber erleuchtet, statt mir Nervengifte zusätzlich zu gönnen oder Kaviar und Schneckenschleim. Welche Stoffe er den Damen der High Society spritzt, hat der Hausarzt mir damals gar nicht mehr verraten. Der Renner der Saison, Hyaluronsäure(3) statt vier Liter reines Wasser täglich, war es da eher noch nicht.  Mit Botox konnte er allerdings bei mir schon da nichts werden. Bin ich irre? Nein.

Während der Arzt über den Unsinn geklagt hat, den das Gesundheitsministerium damals angefangen hat, damit Ärzte bloß nicht zu reich werden, führten wir als Arzt und Patientin nun Fachgespräche in der Abendsprechstunde: budgetiert zu arbeiten, bedeutete für den armen Mann Altersarmut, der nebenbei als Rettungs- und Notarzt Dienste schob. Wohl, weil es vorn und hinten nicht reichte, und seine Frau als „Sprechstundenhilfe“ bekommt heute eine Rente zum Lachen(4). Er thronte über mindestens vier Helferinnen während seiner Sprechstunden und hat nicht mehr erlebt, dass der erste Mann als MTA in die Praxis einzog, voll unterbezahlt, klar. DAS ist gender? Einkommen: 23000/Jahr.

Im Wartezimmer war damals von der Klientel Gemecker zu hören, weil der Mann einen 7er BMW fuhr. Neid musst Du Dir in diesem Land erst einmal erarbeiten, ganz genau. Deshalb gönne ich es persönlich den Reichen und nicht so sehr Schönen, dass sie einen Teil ihrer Einkünfte an die Schönheitschirurgen spenden, damit die nicht verarmt auswandern müssen. Statt mich über einige Schauspielerinnen zu wundern, die vom Sender aus dem europäischen Nachbarland so hochgehoben werden, weil sie eben mit 50 oder sogar 60 noch nicht wie die letzte Schildkröte von Galapagos aussehen. Geheimtipp? Achten Sie nicht auf das Gesicht der süßen Sally aus den lustigen Filmen (5), schauen Sie sich auf dem roten Teppich lieber den Hals an, die Arme oder gar die Hände, da sind wir dann doch wieder bei Brehms Tierleben und den Riesenschildkröten, kurz vor dem Aussterben.

Neuerdings geselle ich mich zu den Frauen, die es wagen, sich öffentlich ungeschminkt zu zeigen (6) und das hat einen guten Grund: Schauspielerinnen, die ich mir früher in Serien niemals angesehen hätte, weil ich wusste, was in den Medien mit augmented reality(7) möglich ist, finde ich spannend. Um es einmal mit Gendern zu sagen: Keine Sorge, die Herren der Schöpfung hat der Wahnsinn längst heimgesucht, der Jugendwahn und der Druck in der Öffentlichkeit, schön zu sein oder immerhin so aussehen zu müssen, wenn eine Kamera in der Nähe ist.

Photoshop rettet eben nur bei Fotos, bei laufenden Bildern müssen härtere Geschütze aufgefahren werden. Einen deutschen Designer – oder auch zwei oder drei – habe ich kürzlich trotz Brille auch nicht mehr erkannt und ich bin bei den VIP früher ein- und ausgegangen! Als ich noch faltenfrei war, jetzt natürlich nicht mehr. Nein, nicht der aus dem Dschungel, den habe ich früher bereits nicht erkannt. Den, der in Amerika lebt und sich wundert, dass er mit fast 50 noch Papa werden kann, mit einer deutlich jüngeren Frau, klar. „Natürlich“. Leider ist jetzt der Säugling schwer erkrankt(8), bei der Ursachenforschung steht die junge Frau im Fokus, nicht das Gift, das er sich spritzen lässt oder in Shakes zu sich nimmt, natürlich nicht.

Ja, genau, diese Formulierung ist doppeldeutig und sie ist ABSICHT. Natürlich ist da schließlich gar nichts mehr. Lehnen Sie sich jetzt bitte zurück und schaufeln Sie sich nicht tonnenweise Collagen aus der Dose ins Essen oder in den Smoothie, bitte. Das Zeug wird aus der Haut von Rindern gewonnen, jedenfalls in diesem Land Europas, und wenn Sie zu den älteren meiner Leserschaft gehören, dann erinnern Sie sich bestimmt noch an den Rinderwahn? An den erinnert es mich, wenn ich den Sender einschalte und ich die gebeutelten Damen sehe, die sich jung spritzen lassen müssen, um bei der Moderation Texte vorlesen zu dürfen. Wenn sie es denn können, ohne Brille.

Nebenbei gesagt, ich bin jetzt über 60 und in jeder Hinsicht ungespritzt, trage noch alle meine Originalteile in mir und stehe zu Falten, weil sie zu mir und meinem Leben gehören. Das noch immer äußerst spannend ist!

Karola Bady

 

Gastbeiträge geben die Meinung des Autors wieder.

Ein Gedanke zu „Spritzen gegen Falten nicht nur für die Alten – Wann fing das an mit dem Jugendwahn?“

  1. Zur sogenannten Abnehmspritze sage ich im Text extra nichts. Eben meldet aber RTL einen Fall aus England, da bricht die Frau direkt nach der Injektion zusammen. Allerdings war in der Spritze Insulin statt Ozempic? Oder wie das heißt. Vielleicht doch lieber die Ernährung umstellen statt Wunder sus der Nadel?

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