Beim Einkaufen kommt man nicht darum herum festzustellen, dass es auf den Sommer zugeht. Supermärkte und Apotheken haben ihre Regale wieder mit allen möglichen Sorten von Sonnencreme aufgefüllt. Und je höher der Sonnenschutzfaktor desto besser, denn wir alle wissen doch, dass Sonnenstrahlen das absolute Gift für unseren Körper sind und Krebs verursachen. Dagegen muss man sich unbedingt wappnen.
Wir könnten jetzt darüber diskutieren, ob wir schon wieder etwas völlig falsch verstanden haben und in unserer Kurzsichtigkeit etwas Gutes (die Sonne) zum Feind erklärt haben, genauso wie wir es mit den Bakterien gemacht haben, die wir auch jahrzehntelang bekämpft haben, bis wir darauf gekommen sind, dass diese kleinen Tierchen – zusammen mit Viren, Pilzen und anderen Organismen -dafür verantwortlich sind, dass wir überhaupt am Leben sind. UUps.
Sonnencreme gelangt in den Blutstrom
Die Haut ist das größte Organ unseres Körpers. Was auf die Haut aufgebracht wird, das bleibt nicht auf der Haut, sondern es wird aufgenommen und gelangt in Ihre Blutbahn. Wir akzeptieren diesen Effekt zum Beispiel beim Nikotinpflaster, das dem Raucher die Abstinenz erleichtern soll, oder auch bei Hormonersatztherapien, die häufig den Einsatz hormonhaltiger Cremes beinhalten. Aber bei Sonnencreme macht sich niemand Gedanken darüber, wo eigentlich die ganzen Chemikalien hingelangen, die in einem normalen Sonnenschutzmittel so drin stecken.
In JAMA Networks ist gerade eine Pilotstudie erschienen, die aufzeigt, dass chemische Substanzen aus der Sonnencreme bereits nach nur eintägigem Gebrauch in größeren Mengen in den Blutstrom gelangen (1). Ausgewertet wurde das Blut von 24 Probanden, die Sonnencreme auf 75 Prozent ihrer Körperoberfläche aufgetragen hatten.
Das Blut wurde auf folgende Chemikalien untersucht, die häufig in konventionellen Sonnencremes verwendet werden:
- Avobenzon (Butylmethoxydibenzoylmethan)
- Oxybenzon
- Ecamsul
- Octocrylen.
Die im Blut der Probanden gemessenen Konzentrationen dieser Stoffe lagen über der von der FDA (amerikanische Arzneimittelbehörde) zugelassenen Sicherheitsgrenze. Das ist bedenklich, denn einige dieser Substanzen haben eine hormonaktive Wirkung. Da für diese Wirkung schon kleinste Mengen ausreichen, muss man sich fragen, ob die zugelassene Höchstmenge nicht schon ein Sicherheitsrisiko darstellt. Auf jeden Fall sollten Studien zum Nachweis der Sicherheit dieser Produkte durchgeführt werden. Dies ist aber leider bisher meist nicht der Fall.
Unerwünschte Wirkungen der untersuchten Chemikalien
Zu Avobenzon sind nur begrenzte Daten verfügbar (2). Diese Chemikalie wirkt als Absorber und Filter für ultraviolettes Licht. Avobenzon zersetzt sich wenn es dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, wodurch es seine Wirksamkeit für den Hautschutz verliert. Dieses Problem wird durch Mischen mit stabilisierenden Chemikalien gelöst.
Mehrere In-vitro-Tests (im Reagenzglas) an Säugetierzellen haben gezeigt, dass diese Substanz Mutationen verursacht – was bedeuten könnte, dass sie möglicherweise Krebs auslösen kann.
Eine Studie ergab auch, dass Avobenzon mit Immuntoxizität und Allergien in Zusammenhang steht. Der unter Lichteinfluss auftretende Abbau von Avobenzon wird als mögliche Ursache einer Lichtkontaktallergie von Sonnenschutzmitteln diskutiert (3).
Oxybenzon ist die Chemikalie, die mit den meisten unerwünschten Wirkungen in Zusammenhang gebracht wird (4). Es kann allergische Hautreaktionen verursachen, wirkt als schwaches Östrogen und hat starke antiandrogene (gegen männliche Geschlechtshormone gerichtete) Wirkungen.
Laut Angaben der CDC wird Oxybenzon in mehr als 96 Prozent der amerikanischen Bevölkerung routinemäßig nachgewiesen. Dieses Oxybenzon stammt aus Sonnencremes sowie Kosmetika.
In einer kürzlich durchgeführten Auswertung von von den CDC-gesammelten Expositionsdaten für amerikanische Kinder stellten die Forscher fest, dass pubertierende Jungen mit höheren Oxybenzonwerten signifikant niedrigere Gesamttestosteronspiegel aufwiesen (5). Die Studie ergab keinen ähnlichen Effekt bei jüngeren Jungen oder Frauen.
Drei weitere Studien berichteten über statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen der Oxybenzonexposition während der Schwangerschaft und Schwangerschaftskomplikationen . So fanden sich kürzere Schwangerschaften bei Frauen, die männliche Babys trugen, zwei berichteten über höhere Geburtsgewichte bei Jungen und eine über niedrigere Geburtsgewichte bei Töchtern(6).
Angesichts des häufigen Vorkommens von Oxybenzon sind weitere Studien erforderlich, um den Zusammenhang zwischen Oxybenzon und Hormonstörungen bei Kindern und Erwachsenen zu untersuchen.
Octocrylen kann bei empfindlichen Personen allergische Hautreaktionen hervorrufen (7). Untersuchungen haben ergeben, dass diese Substanz biochemische oder zelluläre Veränderungen im Körper hervorruft und dass es zu einer Bioakkumulation kommen kann. Das heißt, dass die Substanz sich im Körper anreichert.
Es gibt spezifische Hinweise darauf, dass Octocrylen die Haut, die Augen und die Lunge reizen kann.
Sowohl Oxybenzon als auch Octocrylen stehen in Verdacht, Korallen und Fische zu schädigen und sollen deshalb in einigen Gegenden der Welt verboten werden (8). Mal ehrlich, glauben Sie, dass etwas, das Ökosysteme kaputt macht, gut für Ihren Körper ist? Ich bin da nicht so überzeugt.
Müssen wir uns wirklich vor der Sonne fürchten?
Wie gesagt, das Leben auf der Erde in der Form wie wir es kennen wäre nicht möglich, wenn wir nicht die Sonne hätten. Wir brauchen Sonnenstrahlen für die Bildung von Vitamin D, aber genauso für geistiges Wohlbefinden. Viele Menschen leiden unter der sogenannten Winterdepression, die ihre Ursache in einer mangelnden Sonneneinstrahlung hat. Die Sonne ist übrigens auch der wichtigste Taktgeber für unseren Tagesrhythmus.
Tatsache ist, dass die Hautkrebsraten deutlich angestiegen sind, seit wir davor gewarnt werden, in die Sonne zu gehen. Was ich damit sagen will: Die Sonne ist für uns absolut lebenswichtig, und Sie tun sich keinen Gefallen damit, sie zu meiden. Was Sie allerdings unbedingt vermeiden sollten, ist ein Sonnenbrand, denn der kann tatsächlich die Krebsentstehung begünstigen.
Sie sollten also das Sonnenbaden nicht übertreiben. Je nach Hauttyp genügen 10 – 40 Minuten, um ausreichend Vitamin D herzustellen. Aber achten Sie darauf, dass die Sonne hoch genug steht. Nur bei einem Einfallwinkel von mehr als 45 Grad (das heißt Ihr Schatten ist kleiner als Sie selbst), kann tatsächlich Vitamin D in der Haut synthetisiert werden.
Selbst die WHO gibt zu, dass Menschen, die drinnen arbeiten, deutlich häufiger an Melanomen erkranken (das ist der bösartigste Hautkrebs) als Menschen, die draußen arbeiten (9). Man geht davon aus, dass eine kurze, intensive Sonneneinstrahlung auf nicht sonnengewohnter Haut – etwa am Wochenende oder im Urlaub – Schuld daran ist.
Übrigens führt das Vermeiden der Sonne auch zu einer höheren Gesamtsterblichkeit (10). Da kann man jetzt darüber philosophieren inwieweit hier ein Vitamin D Mangel mit hineinspielt.
Natürlicher Sonnenschutz statt Sonnencreme
Wie gesagt, sollten Sie unbedingt einen Sonnenbrand vermeiden, aber dazu brauchen Sie nun wirklich nicht die größtenteils sehr schädlichen Sonnencremes. Beachten Sie einfach folgende Tipps:
1. Begrenzen Sie Ihren Aufenthalt in der Sonne. Sie sollten im Idealfall ungefähr 10.000 bis 20.000 IE Vitamin D pro Tag herstellen. Beginnen Sie mit 10 – 20 Minuten Sonnenbaden mindestens dreimal pro Woche. Bei dunkler Haut können Sie Ihren Aufenthalt in der Sonne auf 25 – 40 Minuten ausdehnen. Lassen Sie zweimal pro Jahr (auf jeden Fall nach dem Winter) Ihren Vitamin D Spiegel bestimmen. Leben Sie in einer Gegend, die nicht genug natürliche Sonneneinstrahlung bietet (zum Beispiel Hamburg im Winter), dann sollten Sie ein Vitamin D Präparat einnehmen.
2. Tragen Sie schützende Kleidung. Wenn Sie länger in der Sonne bleiben wollen (oder müssen), sollten Sie einen Hut, langärmelige Kleidung und lange Hosen tragen, um Ihre Haut zu schützen.
3. Nutzen Sie die Apotheke der Natur. Viele Pflanzen und Kräuter stärken die natürlichen Abwehrkräfte unseres Körpers. Phenolische Verbindungen wie Flavonoide, Lignine, Stilbene und Phenolsäuren können Sie vor Hautkrebs schützen. Es gibt andere Verbindungen, die vor Melanomen schützen können und in grünem Tee, Basilikum, Kreuzblütlern, Kaffee und vielen anderen Früchten und Gemüse enthalten sind.
Und wenn es denn doch Sonnencreme sein soll, so verwenden Sie ein Produkt, das mineralische Filter (Titaniumoxid, Zinkoxid) statt chemischer Filter verwendet. Um ganz sicher zu gehen, dass sich nicht doch schädliche Chemikalien in Ihrem Sonnenschutz verbergen, sollten Sie am besten Ihre eigene Sonnencreme herstellen. Das ist viel einfacher als gedacht.
(1) Effect of Sunscreen Application Under Maximal Use Conditions on Plasma Concentration of Sunscreen Active Ingredients https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2733085
(2) Avobenzone https://www.ewg.org/skindeep/ingredient/700596/AVOBENZONE/#
(3) Photodegradation of dibenzoylmethanes: potential cause of photocontact allergy to sunscreens. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19856938
(4) https://www.ewg.org/skindeep/ingredient/704372/OXYBENZONE/#
(5) Serum Testosterone Concentrations and Urinary Bisphenol A, Benzophenone-3, Triclosan, and Paraben Levels in Male and Female Children and Adolescents: NHANES 2011-2012. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27383665
(6) Exposure to benzophenone-3 and reproductive toxicity: A systematic review of human and animal studies. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28844799
(7) https://www.ewg.org/skindeep/ingredient/704206/OCTOCRYLENE/
(8) https://www.rundschau-online.de/ratgeber/reise/extrem-schaedlich-badeparadiese-verbieten-sonnencreme—was-urlauber-wissen-sollten-32038760
(9) The known health effects of UV https://www.who.int/uv/faq/uvhealtfac/en/index2.html
(10) Avoidance of sun exposure is a risk factor for all-cause mortality: results from the Melanoma in Southern Sweden cohort. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24697969