BPA

Ist BPA-freies Plastik wirklich besser?

Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass BPA-haltiges Plastik als Lebensmittelverpackung nicht wirklich vorteilhaft ist. Man weiß, dass BPA (Bisphenol A) unsere körpereigenen Hormone beträchtlich stört (1) und zu gesundheitlichen Problemen wie Herz-Kreislauferkrankungen, Adipositas, Unfruchtbarkeit und Impotenz bei Männern führt. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Aber die Industrie ist ja findig, und deshalb gibt es zunehmend Kunststoffverpackungen, die BPA-frei sind. Das ist doch toll oder? Dann brauchen wir uns ja gar keine Gedanken mehr machen und können diese Behälter auch – wie vom Hersteller empfohlen – in die Mikrowelle stecken, um unser Essen ganz bequem zu erhitzen.

Wie sich herausstellt, wäre das ein großer Fehler.

Tierversuche zeigen, dass BPA Ersatzstoffe ebenfalls gesundheitliche Gefahren bergen

Seit dem 1. März 2011 ist die Verwendung von BPA in Babyflaschen verboten. Auch Mineralwasserflaschen aus Plastik sind BPA-frei (was nicht heißt, dass sie nicht andere Schadstoffe enthalten). Zu dieser Entwicklung kam es, weil man festgestellt hatte, dass BPA im menschlichen Körper den Hormonhaushalt durcheinanderbringt, weil es wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen wirkt (2).

BPA gelangt in den Körper, weil es sich in den Lebensmitteln anreichern kann – vor allem wenn der Behälter Hitze ausgesetzt wird (zum Beispiel in der Mikrowelle, aber auch im Sommer im Auto). So weit, so schön – also BPA raus BPS rein. Diese Substanz sollte angeblich weniger geneigt sein, sich aus Verpackungen zu lösen und in Lebensmitteln anzureichern. Die Idee dabei war, einfach die Menge dieser Chemikalien zu verringern, denn dadurch würden sich doch auch gesundheitliche Probleme minimieren lassen. Klingt irgendwie logisch, ist aber bei hormonwirksamen Substanzen nicht der Fall. Hier gilt häufig – weniger kann größeren Schaden anrichten als mehr.

Dummerweise tritt nun auch BPS in die Lebensmittel über und lässt sich ebenfalls im menschlichen Körper nachweisen. Und ist es erst im Körper, dann entfaltet es dort eine ähnliche Wirkung wie BPA.

2013 veröffentlichte Cheryl Watson von der Universität von Texas eine Studie, in der sie aufzeigte, dass schon picomolare Konzentrationen von BPS die normale Zellfunktion stören können (3). Picomolar bedeutet, diese Substanz kam in einer Konzentration von 1 Trillionstel vor. Das ist so eine kleine Menge, dass sie die Vorstellungskraft überfordert. Und schon diese kleine Menge führt wahrscheinlich zu Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Adipositas, Asthma, Geburtsdefekten oder sogar Krebs.

Und diese hormonell aktiven Substanzen finden sich in einer großen Anzahl der Plastikverpackungen wie eine Studie nachweist, die 2011 in Environmental Health veröffentlicht wurde. Fast alle der getesteten Plastikprodukte gaben östrogenähnliche Substanzen ab (4).

Eine weitere Studie zum Thema Sicherheit von BPS wurde an Zebrafischen durchgeführt (5). Die Hirnentwicklung der Zebrafische ist derjenigen des Menschen sehr ähnlich, aber natürlich viel einfacher zu untersuchen.

Die Zebrafische erhielten eine Konzentration von Bisphenolen, die auch in einem nahegelegenen Fluss vorkam. Dies führte zu einem verstärkten Wachstum von Nervenzellen, und zwar um 170 Prozent bei Fischen, die BPA ausgesetzt wurden und sogar 240 Prozent bei Fischen, die BPS ausgesetzt wurden. Mit zunehmendem Alter begannen die Fische in ihrem Aquarium sehr viel schneller und planloser herumzuschwimmen als die Fische der Kontrollgruppe, die keine Bisphenole erhalten hatten.

Die Forscher schlossen daraus, dass ein verstärktes Nervenwachstum wahrscheinlich zu Hyperaktivität führt. Studienautorin Kurrasch erklärt hierzu:

„Ein Problem bei hormonell wirksamen Substanzen besteht darin, dass sie einen U-förmigen Wirkungsverlauf haben. Sie entfalten ihre Aktivität bei sehr niedrigen und sehr hohen Dosierungen, während sie im Mittelfeld keine Aktivität aufweisen.“

Die geringste Dosis, für die sie bei den Zebrafischen noch eine Wirkung nachweisen konnte, war 1000-fach geringer als die für Menschen zugelassene tägliche Dosierung. Wie gesagt – Hormone wirken in extrem niedriger Dosierung, und deshalb ist eine Dosisreduzierung auch kein gängiger Weg.

Noch mehr schlechte Neuigkeiten. 2014 fand Professor Hong-Sheng Wang von der Universität Cincinnati, dass sowohl BPA als auch BPS bei Ratten zu Herzrhythmusstörungen führen (6). Den Ratten wurden die Substanzen in Dosierungen verabreicht, die auch bei Menschen gefunden werden. Selbst bei so geringen Konzentrationen entwickelten die Ratten eine Tachykardie (schnelleren Herzschlag). Diese Wirkung trat allerdings nur bei weiblichen Ratten auf. Die Ursache liegt darin, dass das BPS einen Östrogenrezeptor blockiert, der nur bei den weiblichen Ratten vorkommt. Dadurch wurde ein Calcium-Kanal geschädigt, was auch bei Menschen eine häufige Ursache für Herzrhythmusstörungen darstellt.

BPA-frei haben wir schon, kommt jetzt BPS-frei?

Wir können also feststellen, dass BPA-frei mitnichten bedeutet, dass diese Verpackungen keine gesundheitlichen Schäden anrichten können. Und nun? Nehmen wir jetzt das BPS aus den Verpackungen raus? Ganz so einfach ist es wohl nicht. Denn das Problem liegt darin, dass die Hersteller nicht gezwungen werden, schadstofffreie Verpackungen herzustellen. Anfang des Jahres hat die EU den Grenzwert für BPA in Verpackungen gerade etwas nach unten korrigiert, anstatt diese Substanz einfach zu verbieten (7).

Da kann man sich jetzt fragen, welchen Teil von hormoneller Wirkung haben die Herren und Damen Abgeordnete da nicht verstanden. Aber darum geht es gar nicht. Das Problem besteht darin, dass auch in der EU Industrieinteressen Vorrang vor der Sicherheit des Verbrauchers haben (8).

Und für uns bedeutet das, dass wir Plastikverpackungen wenn immer möglich meiden sollten.

 

 

(1) https://www.bund.net/chemie/hormonelle-schadstoffe/bisphenol-a/

(2) BISPHENOL A Massenchemikalie mit
unerwünschten Nebenwirkungen https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3782.pdf

(3) Bisphenol S Disrupts Estradiol-Induced Nongenomic Signaling in a Rat Pituitary Cell Line: Effects on Cell Functions  https://ehp.niehs.nih.gov/1205826/

(4) Most Plastic Products Release Estrogenic Chemicals: A Potential Health Problem That Can Be Solved  https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3222987/

(5) https://www.ucalgary.ca/utoday/issue/2015-01-13/zebrafish-study-shows-bisphenols-affect-embryonic-brain-development

(6) https://www.endocrine.org/news-room/press-release-archives/2014/common-bpalike-chemical-bps-disrupts-heart-rhythms-in-females

(7)https://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/SichereLebensmittel/Lebensmittelbedarfsgegenstaende/_Texte/BisphenolAVorsorglichVerboten.html

(8) https://www.bund.net/aktuelles/detail-aktuelles/news/hormongift-in-lebensmittelverpackungen-bisphenol-a-wird-nicht-verboten/

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