Sucht man auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Ernährung Informationen zum Thema Süßstoffe, so trifft man auf diese Aussage (1):
„Süßstoffe können im Rahmen von Gewichtsreduktionsprogrammen sinnvolle Hilfsmittel zur Reduktion der Energieaufnahme darstellen. Sie ermöglichen die Erhaltung des Süßgeschmacks zuckerfreier, energiereduzierter Lebensmittel – insbesondere von Getränken.“
Diese Aussage führt bei mir – wie Sie sich vielleicht vorstellen können- nicht gerade zu Begeisterungsstürmen. Zeigt Sie doch nur einmal mehr, dass die Gesellschaft, die uns mit Handlungsrichtlinien zum Thema Ernährung versorgen soll, aber auch nicht einen Funken Ahnung hat.
Süßstoffe sind also sinnvolle Hilfsmittel bei Gewichtsreduktions-programmen? Wow, wenn das man nicht total im Gegensatz zu Studien steht, die aufzeigen, das Süßstoffe zu einer Gewichtszunahme führen (2). Aber trösten Sie sich, diese Falschinformation bekommen Sie nicht nur von der DGE, auch viele Ärzte sind von Süßstoffen ziemlich angetan. Na ja, die haben vielleicht noch nicht davon gehört, dass Süßstoffe gerne in der Tiermast eingesetzt werden. Auf den Zusammenhang von künstlichen Süßstoffen und Adipositas komme ich noch weiter unten.
Jetzt wurde bei der European Association for the Study of Diabetes in Lissabon eine Studie vorgelegt, in der Forscher der Universität Adelaide in Australien aufdecken, dass künstliche Süßstoffe, die Antwort des Körpers auf Glucose beeinträchtigen kann, was zu einer schlechteren Kontrolle des Blutzuckerspiegels führt (3).
Die Studie wurde an 27 gesunden Probanden durchgeführt. Diese erhielten in Kapseln entweder den Süßstoff Sucralose oder Acesulfam K in einer Menge, die dem Konsum von 1,5 l eines Diät-Softdrinks pro Tag entsprach oder aber ein Placebo.
Es dauerte nur zwei Wochen bis in der Verum Gruppe nachteilige Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel nachweisbar waren. Hierzu gehörte auch eine Verminderung des Darm Peptids GLP-1, das den Anstieg des Blutzuckers nach Nahrungszufuhr begrenzt. Hierzu bemerkte der Hauptautor der Studie, Professor Richard Young:
„Dies weist auf die Möglichkeit hin, dass es bei Menschen, die häufig künstliche Süßstoffe verwenden, nach dem Verzehr zu einer übertriebenen Blutzuckererhöhung kommen kann, die im weiteren Verlauf für einen Typ II Diabetes anfällig macht.“
Forschungsergebnisse weisen immer wieder darauf hin, dass Süßstoffe eine Glucoseintoleranz fördern und Diabetes verursachen
Wie nicht anders zu erwarten, wurde natürlich sofort Kritik an dieser Studie laut. Die lautesten Stimmen kamen dabei natürlich aus den Reihen der Nahrungsmittelhersteller. Aber auch Ärztevertreter möchten nicht einfach so über diese Brücke gehen.
Dabei ist diese Studie durchaus nicht die einzige, die zu einem verheerenden Ergebnis für Süßstoffe kommt. So erschien schon 2014 eine Studie in PLoS One, die zu dem Ergebnis kam, dass der tägliche Konsum von Light Getränken, die mit Aspartam gesüßt waren, das Risiko für einen Typ II Diabetes um 67 Prozent erhöhte (egal, ob der Proband dabei eine Gewichtszunahme hatte oder nicht), und das Risiko für ein metabolisches Syndrom (abdominelle Fettleibigkeit, Bluthochdruck, veränderte Blutfettwerte und Insulinresistenz) stieg um 36 Prozent (4).
Ebenfalls 2014 erschien eine weitere Studie in Nature, die aufzeigte, dass der Konsum von Süßstoffen zu einer Glucoseintoleranz durch Veränderung des Darmmikrobioms führt (5). Bei einer DNA-Analyse des Mikrobioms fanden die Forscher deutliche Unterschiede zwischen den Süßstoff-gefütterten Mäusen und den Kontrolltieren. Einige in der Regel seltene Bakteriengruppen waren bei den mit Süßstoff-gefütterten Mäusen ungewöhnlich stark vertreten, andere unterrepräsentiert. Vor allem Bakterien, die vermehrt Kohlenhydrate abbauen, hatten zugenommen, sodass der Verdacht aufkam, die dabei entstandenen Zucker seien vom Darm resorbiert worden und hätten eine Glucose-Intoleranz provoziert. Auch die Stoffwechselaktivität der Darmflora hatte sich verändert, möglicherweise, weil aus der verzehrten Nahrung größere Energiemengen aufgenommen werden. Die Folge: Trotz des verminderten Kaloriengehalts kommt es aufgrund der besseren Energieausbeute zu Übergewicht.
Noch nicht überzeugt? Dann weiter:
2013 in der Zeitschrift Trends in Endocrinology and Metabolism – Künstliche Süßstoffe können Stoffwechselstörungen hervorrufen, die zu Gewichtszunahme, Adipositas, Metabolischem Syndrom und Typ II Diabetes führen. 2016 kommt eine Studie in Applied Physiology zu dem Ergebnis, dass der Konsum von Aspartam bei fettleibigen Menschen zu einer höhergradigen Glucoseintoleranz führt (7).
Die Glucoseintoleranz bezeichnet einen Zustand, bei dem es dem Körper nicht mehr möglich ist, mit Glucose adäquat umzugehen. Das bedeutet die Zellen verweigern die Aufnahme von Glucose, und der Blutzuckerspiegel steigt langsam an. Als Notlösung geht der Körper dazu über, diese Glucose in Fettzellen zu speichern, was zur Gewichtszunahme führt. Diese Studien besagen also nichts anderes als, dass Personen, die Aspartam konsumieren, höhere Blutzuckerspiegel haben können, die zu einer größeren Insulinausschüttung führen sowie zu Gewichtszunahme, Entzündungen (die systemischen, die Sie nicht merken) und einem erhöhten Risiko für einen Typ II Diabetes.
Na, dann ist doch alles klar.
Künstliche Süßstoffe verändern das Darmmikrobiom
Die oben erwähnte Studie, die feststellte, dass Süßstoffe das Darmmikrobiom verändern, wurde ebenfalls an Menschen durchgeführt (8). In einer – zugegebenermaßen – sehr kleinen Studie an sieben gesunden Freiwilligen, die normalerweise keine künstlichen Süßstoffe konsumierten, wurde der gleiche Effekt festgestellt. Die Probanden konsumierten eine Woche lang die Tageshöchstdosis an Süßstoffen. Vier der Teilnehmer entwickelten daraufhin eine Glucoseintoleranz, und ihr Mikrobiom veränderte sich zu einer Zusammensetzung, von der schon bekannt war, dass sie die Anfälligkeit für Stoffwechselerkrankungen erhöht.
So haben Diabetiker vor allem weniger Bakterien der Spezies Firmicuten und dafür größere Mengen an Bacteroidetes und Proteobacteria als Nicht-Diabetiker. Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen einem hohen Bacteroidetes : Firmicuten Quotient und dem Auftreten einer Glucoseintoleranz (also, je mehr Bacteroidetes Sie haben, desto wahrscheinlicher sind sie glucoseintolerant).
Light Getränke rufen womöglich eine stärkere Stoffwechselreaktion hervor als zuckerhaltige Getränke
Die Frage, inwiefern künstliche Süßstoffe den Körper einfach verwirren und damit zu einer überschießenden Reaktion antreiben, wird immer wieder diskutiert.
Künstliche Süßstoffe sind sehr viel süßer als normaler Zucker (teilweise einige 100-fach), ohne aber die Energie oder Kalorien zu liefern. Nun ist unser Körper aber darauf eingestellt, einen süßen Geschmack mit verwertbaren Kalorien in Beziehung zu setzen und den Stoffwechsel dementsprechend einzustellen (zum Beispiel mit der Freisetzung von Insulin). Eine Studie an der Yale University legt jetzt dar, dass die fehlende Übereinstimmung beim Konsum von künstlichen Süßstoffen zu einer Stoffwechselstörung führt (9).
Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass ein mit einem künstlichen Süßstoff gesüßtes Getränk, eine größere Stoffwechselreaktion hervorrufen kann als ein Getränk, das eine höhere Anzahl Kalorien hat. Tatsächlich richtet sich die Stoffwechselreaktion nach der Süße. Das bedeutet, wenn Sie etwas Süßes essen, setzt Ihr Gehirn Dopamin frei, das das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Gleichzeitig wird das Hormon Leptin ausgeschüttet (ein natürlicher Appetitzügler), das Ihrem Gehirn die Rückmeldung gibt, dass Sie „voll“ sind, wenn eine bestimmte Anzahl Kalorien aufgenommen wurden. Essen Sie jedoch etwas Süßes, das keine Kalorien hat, dann wird zwar immer noch das Belohnungssystem eingeschaltet, aber es wird kein Leptin freigesetzt, um es wieder zu deaktivieren, da ja keine Kalorien ankommen (10). Dies erklärt auch, warum künstliche Süßstoffe einen Heißhunger auf Süßigkeiten auslösen können. Ihr Körper erwartet aufgrund der Süße Kalorien, aber wenn diese nicht kommen, signalisiert er weiterhin, dass er noch mehr braucht (und am besten etwas mit hohem Zuckergehalt).
Und nun?
Ich kann Ihnen versichern, Diabetes ist keine Krankheit, die man haben möchte. Ich halte die hier vorgestellten Studien für überzeugend genug, allein in Bezug auf das Diabetesrisiko auf künstliche Süßstoffe zu verzichten.
Sollte Ihnen das nicht ausreichen, dann kann ich Ihnen nur meinen Post zu Süßstoffen wärmstens ans Herz legen. Hier finden Sie noch viele andere Gründe, warum Sie sie nicht konsumieren sollten.
Wie jedem klar sein sollte, kommen künstliche Süßstoffe natürlich nicht nur in Getränken vor, sondern in einer ganzen Reihe von kalorienreduzierten Nahrungsmitteln. Und da inzwischen viele Menschen auf die Low carb Schiene umschwenken, finden sie sich natürlich auch in diesen Produkten (wo wollen Sie Süße herkriegen, wenn Sie Kohlenhydrate nicht verwenden dürfen?).
Noch besser ist es, wenn Sie Ihre Geschmacksknospen einfach umtrainieren und so Ihre Vorliebe für Süßigkeiten verlieren. Als ehemaliger Zucker Junkie, der früher Zucker mit Kaffee getrunken hat, kann ich Ihnen versichern, dass das relativ schnell geht. Wenn Sie Cold Turkey gehen, ist nach einigen Tagen der Heißhunger einfach verflogen.
Wie das geht? Essen Sie fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut, oder trinken Sie Wasser mit etwas Zitronen- oder Limettensaft. Der saure Geschmack nimmt Ihnen die Lust auf Süßes. Auch schwarzer Kaffee hat diesen Effekt (aber nehmen Sie das jetzt bitte nicht zum Anlass, becherweise Kaffee zu trinken).
(1) http://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/suessstoffe-in-der-ernaehrung/
(2) Low-calorie sweetener use and energy balance: Results from experimental studies in animals, and large-scale prospective studies in humans. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27129676
(3) https://www.easd.org/virtualmeeting/home.html#!resources/impact-of-artificial-sweeteners-on-glycaemic-control-in-healthy-humans
(4) Low-Dose Aspartame Consumption Differentially Affects Gut Microbiota-Host Metabolic Interactions in the Diet-Induced Obese Rat https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4197030/
(5) Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota https://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/pdf/nature13793.pdf
(6) Artificial sweeteners produce the counterintuitive effect of inducing metabolic derangements http://www.cell.com/trends/endocrinology-metabolism/fulltext/S1043-2760(13)00087-8
(7) Aspartame intake is associated with greater glucose intolerance in individuals with obesity. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27216413
(8) https://www.scientificamerican.com/article/sugar-substitutes-linked-to-obesity1/
(9) Integration of Sweet Taste and Metabolism Determines Carbohydrate Reward. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28803868
(10) http://www.medicaldaily.com/why-sugar-substitutes-are-not-helping-you-lose-weight-421382
Hallo Frau Dr. Bendig,
wg. Diabetes seit 2005 schlucke ich seit dieser Zeit Stevia statt Zucker. Hoffentlich zählen Sie Stevia nicht zu den Süßstoffen!
mfg Manne
Nein, tue ich nicht. Vor allem wäre es kein künstlicher Süßstoff.